-
FrankHergt_
-
|
: Die BWL sollte schon als eine angewandte Wissenschaft verstanden werden und nicht als Grundlagenforschung, dafür sind die Veränderung im Erkenntnisobjekt von zu hoher Geschwindigkeit.
Hallo Uwe (und willkommen im Club)!
Verändert sich das Erkenntnisobjekt wirklich? Wir kreisen an dieser Stelle letztendlich immer wieder um das menschliche Verhalten und wie man es beeinflussen kann. Und daran hat sich in den letzten 50.000 Jahren nichts geändert. Deshalb suche ich die Lösungsansätze für unserer Probleme auch eher in der Verhaltensforschung als in der BWL. Neurologie könnte auch noch interessant sein, aber da kenne ich mich nicht so aus. Aber ob ich eine Steinzeithorde oder ein KMU, Babylon oder Siemens führe, ist für mich keine prinzipieller Unterschied. Die Verhaltensweisen (und die Typen, die nach oben kommen ...) sind die gleichen.
Schöne Grüße
Frank
|
|
-
WolfgangHorn_
-
|
Hi, Uwe,
: ich weiss dieses Forum ist für "Berufserfahrene" und Fachleute gedacht, doch diese Diskussion über Wissenschaft und Unternehmensrealität finde auch ich als Abolvent ziemlich spannend.
Ja, natürlich, und wie.
Maschinenbauer hören auch auf das Kreischen und Krachen im Getriebe, und erkennen am gegenseitigen Zerspanen der Zahnräder, wo sie die Qualität ihrer Konstruktionsrichtlinien verbessern müssen.
Wenn sie was verbessern wollen, Uwe, dann schauen sie nicht dorthin, wo sich die Leute gegenseitig gefällig auf die Schultern klopfen oder sich Honig um's Maul schmieren.
Sondern dorthin, wo die Leute fluchen und rätseln, wo das "menschliche Getriebe" kreischt und kracht und wo "die Späne fliegen".
Es war bisher zu einfach, solch Kreischen und Krachen im menschlichen Getriebe den Mitarbeitern anzulasten oder den "Linienfürsten". Quatsch. Solch Kreischen und Krachen sind Indizien für Konstruktionsfehler.
Und wo finden Sie, Uwe, ein besseres Forum für diese Probleme als unter denjenigen Könnern, die bei Kreischen und Krachen angesprochen werden?
: Wie soll aber ein, wie gefordert, von Unternehmen unbehelligter Professor einen Lösungsansatz für in Unternehmen anstehende Probleme rein wissenschaftlich entwickeln.
Bitte präzise lesen. Völlig in Ordnung, wenn der unternehmensberatende Professor die Erkenntnisse seiner Mannschaft vermarktet.
Aber in dem Moment, in dem er an Vermarktung denkt, darf man seine Äußerungen als Wissenschaftler nicht mehr ernst nehmen.
: Die BWL sollte schon als eine angewandte Wissenschaft verstanden werden und nicht als Grundlagenforschung, dafür sind die Veränderung im Erkenntnisobjekt von zu hoher Geschwindigkeit.
Neenee, frag mal die Flugzeugbauer hier im Forum. Die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der sich Wirbel an der Abbruchkante bilden und ablösen, hat diese Leute nicht abgehalten, die Kante an sich sauber zu bestimmen.
Uwe, BWL'ern, die sich von der "Geschwindigkeit des Wandels" überfordert fühlen, muß man eigentlich 2km vor der Nordsee abfangen.
Der Blick auf das Gekräusel der Wellen, insbesondere bei fast Windstille, könnte sie in den Wahnsinn treiben...
Wer die Mechanismen erkennt, wie die Wellen auf der Wasseroberfläche entstehen, der ist immun gegen das Gekräusel, der steht darüber.
Und das meiste "Gekräusel" in der BWL, die Managementmodewellen, hat einen nur eingebildeten Wert. Deren tatsächlicher Wert ist so gering, wie jede Welle bisher bald wieder verlacht oder verteufelt worden ist.
Aber: Grundlagenforschung - wo ist die?
Ciao
Wolfgang Horn
|
|
-
Sabine_
-
|
#Moin Allerseits,
: Wir reden immer wieder von Zielen. Mir ist dabei aufgefallen, dass wir bei Zielen nicht so viele sprachliche Unterscheidungen benutzen, wie bei der Aus- und Weiterbildung  .
#Ja, da hab ich mich schon drüber aufgeregt. 
: Es gibt z.B. den Zweck. Dieser beschreibt ein Ziel ohne zeitliche Komponente. Der Zweck eines Systems (oder Teilsystems = Prozess) muss Nutzen für den Menschen enthalten (Kunde, Mitarbeiter, Inhaber,...). Dies kann z.B. sein, Druck messen zu können, oder Labors sicherer zu machen oder Menschen Vergnügen zu bereiten (Karusellbetreiber), usw. Ein falsch gewählter Zweck ist der Grund der meisten Pleiten. Falls der Zweck "Vergaser zu produzieren" nicht geändert wurde, in "Gemisch für Verbrennungsmotoren bereitstellen", ist die Firma heute pleite.
#Meine Übersetzung in 9001-deutsch: Q-Politik.
: "Ohne Zweck kein System!" bedeutet, dass wir nicht alle in eine Richtung gehen können, wenn die helle Lampe weit vorne fehlt. Einzelne Prozessziele, ohne die Lampe in weiter Ferne, bedeuten gar nichts. Der Mitarbeiter kann die Führung nur unterstützen, wenn er die helle Lampe auch sieht. Werden im nur persönliche Ziele, seien es numerische Vorgaben (Leistungsziele, 100 Stück pro Tag oder Ausgaben
|
|
-
WolfgangHorn_
-
|
Hi, Florian,
die BWL muß zur Wissenschaft werden.
_Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d.i. ein nach Prinzipien geordnetes Ganzes der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft." (Immanuel Kant)
Weil hohe Produktivität in der Zusammenarbeit Regeln erfordert, die ähnlich gut sind wie die des Strtaßenverkehrs: Das System der Regeln muß dem gemeinsamen Zweck nutzen, in sich stimmig sein, und für jeden verständlich.
Und die wenigen, die das Verständnis nicht aufbringen, die kriegen halt keinen Führerschein.
Im Management aber ist das Protzen mit elitärem Wissen Mode: "Allein unsere kleine Elite versteht die Geheimnisse des XY-Managements, die Arbeiter brauchen nur unsere Befehle zu verstehen."
Die notwendige Stimmigkeit und Verständlichkeit der Regeln ist unerreichbar, wenn ein Dutzend Unternehmensberatungen jeweils ihr Managementsystem zur Mode zu machen versucht. Es dazu herausputzt wie einen Pfingstochsen und derart unverständlich zu machen, daß man nicht merkt, wie die glänzend-bunte Haut des Pfingstochsen nur die stinkenden Reste von Generationen ähnlicher Ochsen enthält.
Das ist Anti-Wissenschaft.
Nur eine Wissenschaft, die von Wissenschaftlern gemacht wird, die nicht dem persönlichen oder geschäftlichen Profit nachjagen, sondern dem Ruhm eines guten Wissenschaftlers, ist in der Lage, solch ein System von Regeln über wirtschaftliche Systeme zu entwickeln.
Folgerung: Professoren der BWL müssen sich entweder dem Ziel "Wissenschaft" verpflichten oder dem Ziel "persönlicher Profit". Ein Mix führt zum Verlust der Professur, weil konträr zu ihren Zielen. Ich hab' ja nix dagegen, daß, z.B., ein Prof. Dr. Scheer die Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit zur Grundlage einer Firma macht. Aber ab diesem Schritt darf seine Stimme als Wissenschaftler nichts mehr zählen, hat er sich den wissenschaftlichen Thesen der echten Professoren zu beugen.
(Vor Jahrzehnten, als es noch die DDR gab, habe ich Nachrichtentechniker in München gern deren Fachzeitschriften gelesen. Weil die Autoren weniger die Interessen geschäftlicher Konkurrenz umsetzten, und daher objektiver über ihr Fachthema schrieben.)
Weitere Folgerung: Wir brauchen Qualitätskriterien für Managementsysteme. Und zwar keine 1000-Fliegen-Kriterien wie EFQM (ist zwar eine gute Idee, sie hat aber nur die Legitimation des Erfolgs der Muster-Unternehmen. Dessen Übertragbarkeit auf jedes Unternehmen aber nur behauptet wird. Dem EFQM-Modell fehlt die Legitimation in der Sache selbst, wie wir sie beispielhaft erleben in der Thermodynamik, Physik und überhaupt in den Naturwissenschaften.)
Und: Bevor wir Erfolgsrezepte einer US-Arbeitskultur blind umsetzen, müssen wir selber prüfen, ob sie auch in unserer Kultur zweckmäßig sind.
Im Straßenverkehr sind wir viel vernünftiger. Erfolgsrezepte der Briten, Japaner und Inder übernehmen wir eben nicht blind, sondern adaptieren sie an unseren Rechtsverkehr.
Ciao
Wolfgang Horn
P.S. Ach ja, gerade ist Rosenmontag. So jeckenhaft ist mir aber absolut nicht zumute...
|
|
-
Stefan_
-
|
Hi,
daß jeder Fisch am Kopf anfängt mit stinken, das ist ja eine dieser vielen, alten, bewährten (und damit besonders bei den anrüchigen Köpfen diskreditierten) Bauernweisheiten.
Die Wegezoll-Kollekte war ja wieder das klassische Beispiel. Ich erlebe gerade selber so ein Beispiel mit einem großen Kunden. Keiner der Entscheider dort will entscheiden. Könnte ja die falsche Entscheidung sein. Fakten und technische Konflikte werden, wenn überhaupt, nur selektiv und unvollständig wahrgenommen (entsprechend des jeweiligen Weltbildes). Folglich drehen sich die Indianer endlos Kreis - dort, wohin sie könnten, dürfen sie mangels allerhöchster Entscheidungen nicht, der offiziell erlaubte Weg führt aber in die Irre.
Ach ja, vor Jahren gabs doch diese Stellenanzeigen, "no ranks, no titles" (war das Gore-Tex?). Was ist denn aus denen geworden? Bzw. aus deren Motto?
Von wegen AKV, das ist ja das Problem bei den ganz großen Köpfen. Macht <=> Befugnis <=> Entscheidungsgewalt <=> Verantwortung <=> Risiko, alles nicht deckungsgleich verteilt. Ein chinesischer General hatte wenigstens das Risiko, den Kopf zu verlieren nach verlorener Schlacht, sein Kaiser nach verlorenem Krieg. Was riskiert ein Konzern-CEO, der (zum Beispiel) eine große Fusion durchsetzt und dann verpatzt?
De janze Welt is jeck ...
Gruß
Stefan
|
|
-
FrankHergt_
-
|
Hallo zusammen!
Vielleicht einfach mal das pragmatische Beispiel von uns:
Es gibt als Unternehmensziel (Zweck?) "Null Fehler beim Kunden". Das ist die Lampe in der Ferne. Daß wir das nicht schaffen, weiß jeder, gleichzeitig hält es aber die Aufmerksamkeit auf die Qualität gerichtet und macht vor allen Dinge klar: Kein Fehler ist "schon ok". D.h. ich darf nie, nie etwas einfach durchrutschen lassen, weil bis zu meinem persönlichen Ziel noch Luft ist.
Dann gibt es für die einzelnen Teams in der Fertigung Jahresziele in "gefundene Fehler pro Team". Die Ziele müssen von den Team selber definiert werden. Dabei gibt's zwei Zusatzeinflüsse: Jeder Abteilungsleiter möchte ehrgeizige Ziele abgeben und ich als Q-Beauftragter achte streng darauf, daß kein Team mit zu ehrgeizigen Zielen überfordert wird. Über's Jahr finden wir natürlich auch Fehler, die von den vornedran liegenden Prozessen verursacht wurden. Die werden mit aufgeschrieben, denn sie wären ja ohne Kontrolle zum Kunden durchgerutscht. Darüber gibt es immer wieder heftige Diskussionen. Am Jahresende stelle ich mit den jeweiligen Abteilungsleitern zusammen fest, ob die Ziele erreicht worden sind. Dabei gehe ich nicht streng nach Mathematik vor, sondern beurteile die äußeren Einflüsse, die Veränderungen im Team, die Tendenzen in der Fehlerquote usw. mit. Dadurch haben am Ende einige ihr Ziel erreicht, die streng genommen durchgefallen wären. Damit die MitarbeiterInnen durch die Belohnung für ein erreichtes Ziel nicht allzusehr bestraft werden, besteht es nur in einen Qualitätsessen für 20 Euro pro Nase.
So hingeschrieben hört sich das nach einem heillosen Kuddelmuddel an. Da alle Beteiligten aber kontinuierlich miteinander reden (bis streiten ...), funktioniert es gar nicht so schlecht.
Hauptproblem: Trotz der eher symbolischen Belohnung wird mehr über die Aufschreibung als über die Fehlerabstellmaßnahmen diskutiert.
Was die Führung angeht: Drei Prozent der Entlohnung hängen an der Erreichung von mit dem Vorgesetzten vereinbarten Zielen. Die Geschäftsleitung erhält darüber hinaus noch eine Gewinnbeteiligung. Scheint so weit auch nicht schlecht zu funktionieren, Gewinn machen wir jedenfalls noch.
Schöne Grüße
Frank
|
|
|