-
WolfgangHorn_
-
|
Hallo zurück, Florian,
alle modernen Spielarten des Managements (naja, fast alle) blühen so goldverheißend, weil dort fehlt, wovon jeder Werbevlock im Fernsehen kündigt: "Über Nebenwirkungen und Risiken informiert sie ihr Arzt oder Apotheker."
Ärzte gehen mit höchster Kunst vor: Sie diagnostizieren, und haben sie die Ursache der Krankheit oder Fehlfunktion, wägen sie die verschiedenen Therapiemöglichkeiten gegeneinander ab, jeweils unter Beachtung von Wirkungen und Nebenwirkungen.
Die Betriebswirtschaftslehre kennt das nicht, die Qualität der Ergebnisse der Wissenschaften Soziologie und Psychologie liegt etwa da, wo die Chemie war, als sie noch Alchimie hieß.
Welche Nebenwirkungen sehe ich bei dem Unternehmen, das Du beschreibst? Ich stimme Dir zu.
Die Blackbelts demonstrieren mit jedem Erfolg die angebliche Unfähigkeit der Linie. Entmachtung der Personal- und Resultatverantwortlichen (Linie).
Übertragung der Verantwortung zur Gestaltung des Unternehmens an Prozeßverantwortliche. Die aber nicht für die Resultate verantwortlich sind, sondern allein für die versprochenen kurzfristigen Ergebnisverbesserungen.
Folgerung: Wenn sich jeder optimal und fehlerfrei verhält nach dieser Aufteilung der Verantwortung, dann optimieren die Blackbelts ihr Verhalten so, daß sie kurzfristige Ergebnisverbesserungen erzielen - aber auf Kosten zukünftiger Ergebnisse.
Würden die Rennställe der Formel 1 so vorgehen, dann vermute ich, daß ein Blackbelt Ferrari Ergebnisverbesserung durch Kostensenkungen verspricht: Konzentration auf die Kernkompetenz "Motor"! Entlassung allen Personals, das mit Vorderachse zu tun hat, mit Cockpit und mit Aerodynamik.
Wir sehen, Six Sigma paßt hervorragend für das Quartalsdenken - maximale Versprechen für Gewinne jetzt, koste es die Zukunft, was es wolle.
Nachdenklich macht mich, daß ich seit dem Ausscheiden von Jack Welch keine Erfolgsmeldung aus dem Hause General Electric mehr habe lesen können.
Danke für die Information über Motorola. Link?
Ciao
Wolfgang
|
|
-
Vivian_
-
|
Hallo Wolfang,
ich muss meinen Berufsstand energisch verteidigen und hier eine Lanze brechen!!!
Es gibt scheinbar einen ewigen Konflikt zwischen Technikern und Betriebswirten. In jedem Unternehmen (was ich kenne) zeigt er die gleichen Symptome und Wirkungen.
Was ist mit Armortisationsrechnungen - wenn ich sie mal von der Investition in ein bestimmtes Werkzeug/Maschine abkopple?
Was ist mit der GuV?
Was ist mit der Simulation von Gewinnen und finanziellen Erfolgen - Gewinnvorausrechnung/-prognose?
Ich denke, jeder Controller oder Innenrevisor zieht einem QMB oder Projektleiter die Hosen stramm, wenn er zwar ein super perfektes Projekt abliefert aber keinen Gewinn zu verbuchen hat.
Das erste Ziel des Unternehmens ist es, Geld zu verdienen!!! Je mehr Gewinn ich einfahre, desto angenehmer kann ich mir den Weg dahin gestalten - z. B. Einsatz moderner Technik.
Wenn das Unternehmen auf 150 Prozent powern muss, um sich am Leben zu erhalten und keine Zeit = Geld in strukturelle Umbrüche investieren kann, ist es eh irgendwann vorbei oder der "Himmel" schickt eine glückliche Fügung.
Nicht die Betriebswirtschaft ist schuld, sondern jede Menge von schillernden Seifenblasenproduzenten, welche die BWL und deren elementaren Grundregeln vergessen haben und sich allein an Spiegelung ihrer Seifenblasen ergötzen.
Diese Seifenblasenproduzenten leben jedoch ausschließlich von Führungskräften, die an die Leichtigkeit der Seifenblasen (leichter Gewinn mit minimalem Aufwand) glauben und sich blenden lassen. Es sitzen häufig genug Nieten an beiden Seiten des Verhandlungstisches.
Es gibt zweifellos unter uns auch eine große Zahl vernagelter Zahlenknechte, die nur an die Zahl glauben.
BWL lebt nicht von schönen schillernden Worten, sondern von Zahlen (Marketing und Volkswirtschaft mit ihren tollen realisätsfremden Modellen schließe ich aus der Beurteilung aus.
Wie immer macht es die vernünftige Mischung aus gesundem Menschenverstand, Fachkenntnis und Weitblick. Das Ziel eines Unternehmens völlig unabhängig von irgendwelchem Managementmoden sollte doch sein, seine Prozesse effizient und gewinnorientiert zu organisieren, die Mitarbeiter aktiv an der Gestaltung mitwirken zu lassen und dann noch den Kunden zufrieden zustellen.
Was nützt ein super ergonomischer Prozess, wenn er keinen Gewinn abwirft?
Was nützt ein total zufriedener Mitarbeiter, wenn der Kunde Schund bekommt?
Was bringt ein gewinnmaximierender Prozess, wenn meine Mitarbeiter abspringen und das Unternehmen als Sklaventreiber verrufen ist?
Seien sie gnädig mit den Betriebswirten.
Viele Grüße
Vivian
PS.:
Ich habe vor kurzem ein wirklich interessantes und innovatives Unternehmen bei seinem Insolvenzgang beobachten dürfen. Das Unternehmen wurde geführt von idealistischen und kreativen Ingenieuren. Diese Leitung hat sich jedoch irgendwann von der wirtschaftlichen Basis und der Zahlenklauberei losgesagt, um diesem ständigen Clinch Techniker - Betriebswirt zu entgehen ..... und Ende.
|
|
-
WolfgangHorn_
-
|
Hallo zurück, Florian,
alle modernen Spielarten des Managements (naja, fast alle) blühen so goldverheißend, weil dort fehlt, wovon jeder Werbevlock im Fernsehen kündigt: "Über Nebenwirkungen und Risiken informiert sie ihr Arzt oder Apotheker."
Ärzte gehen mit höchster Kunst vor: Sie diagnostizieren, und haben sie die Ursache der Krankheit oder Fehlfunktion, wägen sie die verschiedenen Therapiemöglichkeiten gegeneinander ab, jeweils unter Beachtung von Wirkungen und Nebenwirkungen.
Die Betriebswirtschaftslehre kennt das nicht, die Qualität der Ergebnisse der Wissenschaften Soziologie und Psychologie liegt etwa da, wo die Chemie war, als sie noch Alchimie hieß.
Welche Nebenwirkungen sehe ich bei dem Unternehmen, das Du beschreibst? Ich stimme Dir zu.
Die Blackbelts demonstrieren mit jedem Erfolg die angebliche Unfähigkeit der Linie. Entmachtung der Personal- und Resultatverantwortlichen (Linie).
Übertragung der Verantwortung zur Gestaltung des Unternehmens an Prozeßverantwortliche. Die aber nicht für die Resultate verantwortlich sind, sondern allein für die versprochenen kurzfristigen Ergebnisverbesserungen.
Folgerung: Wenn sich jeder optimal und fehlerfrei verhält nach dieser Aufteilung der Verantwortung, dann optimieren die Blackbelts ihr Verhalten so, daß sie kurzfristige Ergebnisverbesserungen erzielen - aber auf Kosten zukünftiger Ergebnisse.
Würden die Rennställe der Formel 1 so vorgehen, dann vermute ich, daß ein Blackbelt Ferrari Ergebnisverbesserung durch Kostensenkungen verspricht: Konzentration auf die Kernkompetenz "Motor"! Entlassung allen Personals, das mit Vorderachse zu tun hat, mit Cockpit und mit Aerodynamik.
Wir sehen, Six Sigma paßt hervorragend für das Quartalsdenken - maximale Versprechen für Gewinne jetzt, koste es die Zukunft, was es wolle.
Nachdenklich macht mich, daß ich seit dem Ausscheiden von Jack Welch keine Erfolgsmeldung aus dem Hause General Electric mehr habe lesen können.
Danke für die Information über Motorola. Link?
Ciao
Wolfgang
|
|
-
Vivian_
-
|
Hallo Wolfang,
ich muss meinen Berufsstand energisch verteidigen und hier eine Lanze brechen!!!
Es gibt scheinbar einen ewigen Konflikt zwischen Technikern und Betriebswirten. In jedem Unternehmen (was ich kenne) zeigt er die gleichen Symptome und Wirkungen.
Was ist mit Armortisationsrechnungen - wenn ich sie mal von der Investition in ein bestimmtes Werkzeug/Maschine abkopple?
Was ist mit der GuV?
Was ist mit der Simulation von Gewinnen und finanziellen Erfolgen - Gewinnvorausrechnung/-prognose?
Ich denke, jeder Controller oder Innenrevisor zieht einem QMB oder Projektleiter die Hosen stramm, wenn er zwar ein super perfektes Projekt abliefert aber keinen Gewinn zu verbuchen hat.
Das erste Ziel des Unternehmens ist es, Geld zu verdienen!!! Je mehr Gewinn ich einfahre, desto angenehmer kann ich mir den Weg dahin gestalten - z. B. Einsatz moderner Technik.
Wenn das Unternehmen auf 150 Prozent powern muss, um sich am Leben zu erhalten und keine Zeit = Geld in strukturelle Umbrüche investieren kann, ist es eh irgendwann vorbei oder der "Himmel" schickt eine glückliche Fügung.
Nicht die Betriebswirtschaft ist schuld, sondern jede Menge von schillernden Seifenblasenproduzenten, welche die BWL und deren elementaren Grundregeln vergessen haben und sich allein an Spiegelung ihrer Seifenblasen ergötzen.
Diese Seifenblasenproduzenten leben jedoch ausschließlich von Führungskräften, die an die Leichtigkeit der Seifenblasen (leichter Gewinn mit minimalem Aufwand) glauben und sich blenden lassen. Es sitzen häufig genug Nieten an beiden Seiten des Verhandlungstisches.
Es gibt zweifellos unter uns auch eine große Zahl vernagelter Zahlenknechte, die nur an die Zahl glauben.
BWL lebt nicht von schönen schillernden Worten, sondern von Zahlen (Marketing und Volkswirtschaft mit ihren tollen realisätsfremden Modellen schließe ich aus der Beurteilung aus.
Wie immer macht es die vernünftige Mischung aus gesundem Menschenverstand, Fachkenntnis und Weitblick. Das Ziel eines Unternehmens völlig unabhängig von irgendwelchem Managementmoden sollte doch sein, seine Prozesse effizient und gewinnorientiert zu organisieren, die Mitarbeiter aktiv an der Gestaltung mitwirken zu lassen und dann noch den Kunden zufrieden zustellen.
Was nützt ein super ergonomischer Prozess, wenn er keinen Gewinn abwirft?
Was nützt ein total zufriedener Mitarbeiter, wenn der Kunde Schund bekommt?
Was bringt ein gewinnmaximierender Prozess, wenn meine Mitarbeiter abspringen und das Unternehmen als Sklaventreiber verrufen ist?
Seien sie gnädig mit den Betriebswirten.
Viele Grüße
Vivian
PS.:
Ich habe vor kurzem ein wirklich interessantes und innovatives Unternehmen bei seinem Insolvenzgang beobachten dürfen. Das Unternehmen wurde geführt von idealistischen und kreativen Ingenieuren. Diese Leitung hat sich jedoch irgendwann von der wirtschaftlichen Basis und der Zahlenklauberei losgesagt, um diesem ständigen Clinch Techniker - Betriebswirt zu entgehen ..... und Ende.
|
|
-
WolfgangHorn_
-
|
Hallo Vivian,
: ich muss meinen Berufsstand energisch verteidigen und hier eine Lanze brechen!!!
Ja, und Du hast ja Recht, wo Du von den Fragen schreibst, die BWLer besser lösen können als andere. Da ist "Deine Zunft" ja gar nicht angegriffen.
Deine Zunft feierte Erfolge auf der Grundlage des unausgesprochenen Menschenmodells von Frederick W. Taylor: ""Die angeborene Bequemlichkeit des Menschen ist ein bedauerliches Moment."
Das Scientific Management erreichte Produktivitätssprünge mit Taylors Prinzip der Arbeitsteilung: "Trennung von Kopf- und Handarbeit". Funktionierte hervorragend, als die Arbeiter noch unqualifiziert waren und jederzeit austauschbar.
Heute aber gilt vielmehr: "Die Kunst des Managements besteht ohnehin darin, mit weniger Wissen, als es die Mitarbeiter haben, diese zu führen." (Bernd Pischetsrieder)
Das versagt Taylors Modell vom Menschen. Qualifizierte Mitarbeiter mit teuren Gehältern und langen Kündigungsschutzfristen kann man nicht so führen wie Unqualizierte.
Den Planern der Arbeit passiert deshalb, was Flugzeugkonstrukteuren passieren würde, wenn die Luft sich plötzlich wesentlich anders verhält.
Die Flugzeugkonstrukteure wären zurückgeworfen in die Zeit der Bastelei, in die Zeit der tollkühnen Männer mit ihren (fast) fliegenden Klapperkisten.
Hier fehlt einfach Qualität in den Modellen vom menschlichen Verhalten, die Deiner Zunft gegeben werden. Und so schwach diese Qualität, so schwach die Gegenargumente der schwachen Klugen gegen die Willkür der Mächtigen.
Diese Qualität muß in die Modelle wieder hinein. Damit Ihr BWLer auch die Menschen wieder erfolgreich einplanen könnt.
Ciao
Wolfgang
|
|
-
TimGerdes_
-
|
Hallo allerseits,
hier muss ich denn doch einmal der Vivian beistehen und der Betriebswirtschaftslehre eine Lanze brechen!
Also, Herr Horn, was Sie an dieser Stelle tun ist, von den Unzulänglichkeiten einzelner auf die Untauglichkeit einer Wissenschaft und eines Berufsstandes zu schließen. Eine, wie ich finde, völlig unangebrachte Verallgemeinerung.
Wenn Sie auf die Betriebswirte schimpfen, welche meinen Sie denn? Steuerrechtler? Marketingleute? Personaler? Controller? Organisationsleute?
Schauen Sie sich mal die Bandbreite der Disziplinen der BWL an und Ihnen wird offenbar, dass die BWL aus unterschiedlichsten Disziplinen besteht, die teilweise auf völlig unterschiedlichen theoretischen Fundamenten stehen.
Die Tatsache, dass neben der Volkswirtschaftslehre kaum eine Wissenschaft über so viele, voneinander unabhängigen Determinanten verfügt wie die BWL, öffnet auch Scharlatanen Tür und Tor, die dann gerne mit mehr oder minder tollen Heilsversprechen ein Unternehmen in den Sand setzen.
Dieses führt dann häufig zu den, von Ihnen zu Recht angeprangerten Managementmodewellen.
Das heisst aber nicht, dass die BWL nicht ein in sich geschlossenes Theorienkonstrukt wäre, es ist nur ein ausgesprochen komplexes. Ein weiterer Punkt ist, dass, wie es einmal einer meiner besseren Professoren ausgedrückt hat, die BWL zu 50\% aus selbstverständlichem und zu 50\% aus unverständlichem besteht. Das führt dazu, dass viele mit Halbwissen durchaus kompetent wirken können, und diese auch relativ schwer enttarnt werden können, da die, von ihnen nicht behandelten 50\% nur sehr schwer zu kommunizieren sind. Aus diesem Grunde haben auch so viele Ingenieure im BWL Bereich so große Erfolge. Es ist aber vermessen, von Projekterfolgen auf betriebswirtschaftliche Kompetenz oder gar ein, das übliche BWL Wissen ersetzendes Wissen zu schließen. Das sind, durchaus wiederholbare Einzelerfolge, die aber mit einer wissenschaftlich fundierten Vorgehensweise, einer Theorie, die übergreifend und gezielt wiederholbar einsetzbar sind nichts zu tun haben. Man kann mit Lebenserfahrung in der BWL sehr große Erfolge erzielen und es ist tödlich, seine Lebenserfahrung auf dem Altar einer (betriebswirtschaftlichen) Theorie zu opfern (solch Dinge sind übrigens in anderen Wissenschaften des häufigeren passiert, die Physik ist hier sehr anfällig). Aber man muss ehrlicherweise anerkennen, dass Unternehmerische Erfolge allein auf Basis der Lebenserfahrung nicht weiter als Glückssache sind. Die Entwicklungen vieler Unternehmen der "New Economy" geben mir da Recht, hier wurde nämlich NICHT mit BWL Know-How Gearbeitet, sonder gesagt: "BWL, das ist Old-Economy, wir wissen das alles besser!"
Ein weiteres Problem ist, dass insbesondere in der jüngeren Vergangenheit der kurzfristige Unternehmenserfolg vor den langfristigen gestellt wurde und häufig immer noch wird (ich erinnere an dieser Stelle an das undifferenzierte Gefasel vom Shareholder Value, in dessen Namen Milliarden von Euro an den Börsen verbrannt wurden).
Das waren aber alles Entwicklungen, die nicht der BWL als Wissenschaft anzulasten sind, sondern, wie es einmal der Chef von Trigema ausgedrückt hat, Entwicklungen, die von "jungen Schnöseln" zu verantworten sind, deren Kernkompetenz darin bestand, eine große Klappe und überzogene Ziele zu haben.
So, dass musst jetzt sein.
Grüße und bitte nicht beleidigt sein,
Tim Gerdes
www.gerdes-consulting.de
|
|
|