Wien, am 20.10.2003 - Rescheneder
Kundenzufriedenheit, wo findet man sie heute noch ?
Kundenzufriedenheit ist heute zu einem Schlagwort in der Wirtschaft geworden wie viele andere Begriffe auch.
Kaum ein Artikel, ein Buch, ein Werbespot oder eine Seite im Internet zum Thema Management, in dem dieser Begriff nicht in irgendeiner Form vorkommt. Doch gibt es die Kundenzufriedenheit heute überhaupt noch ? Ich behaupte nein !
Kundenzufriedenheit ist zu einer gerne gebrauchten Worthülse der Wirtschaftsmanager geworden, die in der Praxis nicht gelebt wird.
Analog gibt es in der Politik die Wählerzufriedenheit. Und wie es damit aussieht weiß heute jeder. Die Politik hat mit ihrem Handeln das Wählervertrauen bereits zur Gänze verspielt. Die Wirtschaft ist gerade dabei ihr Vertrauen beim Kunden genau so zu verlieren wie dies in der Politik bereits geschehen ist.
Der Leidtragende ist der Kunde, der nur wenig diesem negativen Trend in der Wirtschaft entgegen setzen kann. Obwohl immer wieder der Kunde als König bezeichnet wird, läuft die Praxis anders.
Nicht zu unrecht wird im Buch von Edgar K. Geffroy die Frage gestellt, - _Ist der Kunde wirklich König ?". Gefroy kommt leider in seinem Buch zu dem Schluss: _Das einzige was stört ist der Kunde":
Leider ist dies heute noch immer die Denkungsweise der Unternehmen, obwohl in der Öffentlichkeit selbstverständlich andere Sprüche gedroschen werden. Die Unternehmen sollten heute umdenken um weiter erfolgreich zu sein. Viel zu oft wird die naheliegendste Möglichkeit mit dem Kunden eine gute Beziehung aufzubauen nicht genützt.
Daran ändern auch Managementmethoden der jüngsten Zeit wie CRM (Customer Relationship Management) nichts, denn sie haben nicht das Ziel die Kundenzufriedenheit oder die Beziehung zum Kunden zu verbessern sondern eine ganz andere Zielsetzung.
Die Zielsetzung der Unternehmen, die CRM in ihren Unternehmen einsetzen heißt Gewinnmaximierung und da werden astronomische Verbesserungen in der Werbung (bis zu 30\%) versprochen. Das Ergebnis ist meist ernüchternd, denn die Erwartungen werden mit CRM nicht erfüllt. Denn wenn es überhaupt eine Gewinnmaximierung gibt, dann erfolgt sie bei CRM auf Kosten des Kunden. Von einer Verbesserung der Kundenbeziehung kann also keine Rede sein.
CRM ist also nicht für den Kunden sondern richtet sich gegen den Kunden. Daran ändert auch eine jährliche CRM-EXPO in Köln (heuer vom 12 bis 13.11.2003) nichts.
So schreibt Dr. Wolfgang Martin der Schirmherr der CRM-EXPO in einem Artikel - CRM: Quo vadis ? Was haben wir getan, damit der Kunde bleibt ? - Zitat: Wir haben alle Daten rings um den Kunden in eine einheitliche Datenbasis gebracht. Wir haben organisatorisch klar geregelt, wer für die Kundendaten verantwortlich ist. Jeder weiß jetzt im Unternehmen, wer der Kunde ist, wie profitabel der Kunde ist, welche Vorlieben, Präferenzen und welches Kaufverhalten der Kunde hat, welche unserer Produkte er wie lange im Einsatz hat, was sein Ersatz- und Innovationsbedarf ist, und welchen Wert der Kunde davon hat, unser Kunde zu sein. Und der Kunde konnte sich seine bevorzugten Kanäle selbst aussuchen. Wenn er im Call Center anrief, dann kannte man die e-Mails, die er geschrieben hatte, und in der Zweigstelle bekam man alles mit, was sich in Chaträumen im Cyberspace abspielte oder warum er sich per Fax beim Vorstand beschwert hatte. - Zitat -Ende-
Die Branche ist unter sich und glaubt, dass das Geschäft noch kommt. Ein Geschäft gegen den Kunden kann es aber nicht geben auch wenn man die Kritiker von solchen Veranstaltung ausschließt. Der Kunde als Letztverbraucher wird in Köln nicht berücksichtigt. Auch die Kritik über CRM wird nur innerhalb der CRM -Lobby zugelassen. Das kann nichts werden, wenn man den Kunden nicht wirklich in die Diskussion einbezieht. Es gibt keine Beispiele dafür wo die Kundenzufriedenheit des Kunden durch den Einsatz von CRM verbessert wird. Das Schicksal der CRM-Methode ist damit vorprogrammiert und kann damit in die gleiche Bedeutungslosigkeit eingeordnet werden, wo ISO 9000:2000 + Zertifikat bereits gelandet sind. Nämlich hohe Kosten durch unnötige Bürokratie und Audits sowie eine dadurch verursachte Frustration bei den Mitarbeitern.
Die ISO-Lobby ist zwar immer noch sehr stark aber der Trend, dass die Firmen mehr und mehr ihr Zertifikat nicht mehr erneuern (sie dezertifizieren) hält an. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit bis die Firmen erkennen, dass ein Zertifikat heute keinen Wert mehr hat. Auch wenn es ein kurze Euphorie gab ist ISO 9000:2000 + Zertifikat nicht mehr für die Unternehmen aktuell.
Für die Kunden war das immer schon klar, denn die Kundenzufriedenheit konnte damit in keiner Weise verbessert werden. Viel Papier und nichts dahinter.
Für CRM gilt analog: Viele Daten über den Kunden aber sie sind wertlos für eine Gewinnmaximierung im Unternehmen, es sei denn Kunden die nichts bringen kommen auf eine schwarze Liste, werden gekündigt, ausgeschlossen oder nicht mehr beliefert.
Versicherungen sind hier Meister in der Umsetzung. Schon während der Kunde mit der Versicherung telefoniert liegen alle seine Daten beim Betreuer on-line vor.
Der Betreuer, weiß über das Risiko des Kunden Bescheid und entscheidet über die weitere Geschäftsabwicklung. Das kann dann ein weiterer Versicherungsvertrag oder eine Aufstockung eines bestehenden Vertrages sein, den der Kunde eigentlich gar nicht wollte oder der Kunde wird von der Versicherung nicht mehr angenommen oder gekündigt.
Beide Varianten sind zum Nachteil des Kunden aber beide tragen zur Gewinnmaximierung des Unternehmens bei.
Das ist im Kern CRM, der dem Kunden als Letztverbraucher als - _Friss oder Stirb" - Strategie verkauft wird. Eine Kundenzufriedenheit kann so natürlich nicht aufgebaut werden.
Der Wert von CRM - Strategien im Sinne von besseren Kundenbeziehungen ist daher falsch und entspricht nicht der Wahrheit.
Auch positive Studien werden immer wieder zitiert um den Erfolg von CRM in der Zukunft darzustellen. Viel realistischer stellen aber mehr und mehr kritische Umfragen und Studien dar, die die Wahrheit über CRM deutlicher erkennen lassen als dies bisher der Fall war.
Mehr als die Hälfte der Customer Relationship Management-Projekte (CRM) bringen nicht den erhofften Erfolg, weil die Unterstützung des Top-Managements fehlt.
In einer Studie (Quelle: Wirtschafts Woche heute - HANDELSBLATT, Donnerstag, 23. Mai 2002)
wird die Realität schon deutlicher aufgezeigt.
Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsunternehmen Wirthlin Worldwide durchgeführt, das über 100 Top-Manager der führenden Fortune 1000-Unternehmen im Mai 2002 zu deren Aktivitäten im Bereich Customer Relationship Management befragte. Dies ergab eine aktuelle Befragung von 100 Führungskräften der weltweit größten Konzerne, die von Accenture veröffentlicht wurde.
74 Prozent der befragten Manager gaben an, dass CRM-Projekte aufgrund fehlerhafter Konzepte nicht zufriedenstellend umgesetzt werden. Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg sei die lückenlose Übereinstimmung zwischen Marketing- und Vertriebsstrategie sowie konkreten Vorhaben zur Kundenbindung. Trotzdem konzentriere sich eine Vielzahl von CRM-Projekten ausschließlich auf technologische Aspekte und isolierte Anwendungen. Der Umfrage zufolge wurden zwar Fortschritte beim Management von Kundeninformationen und daraus abgeleiteten Servicemaßnahmen gemacht, dennoch ist das Potential von CRM-Projekten bei weitem nicht ausgeschöpft.
"Top-Manager müssen sicherstellen, dass die Kundenorientierung der Unternehmen mehr als ein Lippenbekenntnis ist. Dafür müssen CRM-Instrumente und Marktstrategie aufeinander abgestimmt sein. Nur unter dieser Voraussetzung können Unternehmen mit den sich wandelnden Kundenerwartungen Schritt halten und den individuellen Kundenwert steigern," so Joerg Tuchen, Senior Manager bei Accenture.
Das alles klingt nicht erfolgsversprechend aber man vermeidet es eben die falsche Zielsetzung in der Werbung deutlich auszusprechen. In der Kundenbeziehung bringt es nichts. Es bleibt natürlich jedem Unternehmen freigestellt seine Gewinnmaximierung mit Hilfe der Kundendaten durchzuführen.
Die Verbesserung der Kundenbeziehung im ehrlichen Sinn, so wie der Kunde diesen Begriff auch versteht, ist das nicht. Es ist schwer eine wirkliche Kundenbeziehung heute noch zu finden. Die Praxis zeigt das Gegenteil, denn es gibt immer weniger Geschäftsfälle bei Produktion- und Dienstleistungen für den Verbraucher die funktionieren.
Dazu kommt noch die Gier der Manager wie man im Buch von Stefan Riße - MANAGER AUSSER KONTROLLE - Wie Gier und Größenwahn unsere Wirtschaft ruinieren. - lesen kann. Die Kriminalität greift um sich und nimmt zusehends zu. Die Mitarbeiter der Unternehmen bleiben dabei auf der Strecke.
Auch die EU nimmt sich bereits in einer Richtlinie dieses Themas an. Die Europäische Kommission verabschiedete einen Vorschlag (Brüssel, 18. Juni 2003) für eine Richtlinie über unlautere Praktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern.
Mit der vorgeschlagenen Richtlinie, die ein allgemeines Verbot unlauterer Geschäftspraktiken enthält, die das Wirtschaftsverhalten der Verbraucher wesentlich beeinflussen, werden die Rechte der Verbraucher klarer gefasst und den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr erleichtert.
Das alles zeigt die Situation auf, welche Gräben zwischen Kunden und Lieferanten bereit aufgerissen sind und weiter laufend vertieft werden. Es wird nicht mehr allzu lange dauern bis man im Lexikon nachsehen muss um zu wissen was der Begriff _Kundenzufriedenheit" einmal bedeutet hat. Kundenzufrieden ist eigentlich nicht mehr wirklich vorhanden.
Damit hat die Wirtschaft mit den Worthülsen der Politik gleichgezogen was in der Praxis bedeutet, dass _Kundenunzufriedenheit" in der Wirtschaft mit der _Wählerunzufriedenheit" in der Politik gleichgesetzt werden kann.
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DI Karl Rescheneder -
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