Hallo zurück, Herr Schmidt!
: : Druck oder Zug?
: Stasis. Sorry, kein innerer Antrieb durch gelebte Führerschaft. Mehr so'ne Art Monopolstellung der Firma.
Huch? Gelebte Führerschaft weckt inneren Antrieb?
Diese Vorstellung kommt mir bekannt vor, ist aber falsch.
Begründung:
1. angeborene Grundfähigkeit: Jede Person strebt letztlich ihre persönlichen Zwecke und Ziele an. (Und eben nicht die des Unternehmens oder Chefs, auch wenn die das noch so intensiv predigen.)
2. Jede Person meidet Mühen, die sie für ihre Zwecke und Ziele für unnütz hält.
1. Folgerung: Jede Person ist schon motiviert. Aber nicht unbedingt im Sinne ihres Chefs.
2. Die Wechselwirkungsregel:
* Gegenseitige Förderung der Zwecke zweier Personen oder Gemeinschaften ist Voraussetzung für Verständnis, Vertrauen, Kooperation im Verhalten und hohe Produktivität gemeinsamer Arbeit.
* Konkurrenz der Zwecke aber erzwingt Mißtrauen, Konkurrenz im Verhalten und mindert gemeinsame Produktivität.
Begründung: Weil sich viel Mühen einhandelt, wer seinen Konkurrenten fördert. Weil Mühen spart, wo vier Hände gemeinsam mehr packen als zwei vereinsamte Paar Hände.
Folgerung daraus: Als Führungskraft können wir unseren Mitarbeitern nur zeigen, wie sie ihre persönlichen Ziele mit weniger Mühen erreichen, indem sie uns folgen.
Denn wer seine Mitarbeiter woanders hin führen will, der erntet Frust und rote Zahlen.
Und zum Führen speziell:
4. Grundfähigkeit der Geselligkeit: Wir folgen durchaus gern dem, der uns dorthin führt, wo wie sowieso hinwollen. Sofern wir meinen, unter seiner Leitung erreichen wir unser Ziel mit weniger Mühen als unter der Leitung eines anderen, der verfügbar ist. (Einschließlich uns selbst.)
Wäre die 4. GF nicht angeboren, wie an Babys zu sehen, wäre sie eine logische Folge der 1.+2. GF.
: : Oh, wenn Sie das erleben, wie paßt das zu Ihrer Meinung, Sie erlebten keinen Druck?
: Sehr gut. Man hat den Rücken frei für politische Spielchen und Profilierungen. Dadurch entsteht aber kein Druck, kein Zug, nur endlose Meetings ohne fachlichen Inhalt.
Tja, wenn Ihr Chef das toleriert, seine Sache, und vermutlich auch sein selbstgezimmertes Schicksal.
: : Mitarbeiterorientierung, Kundenorientierung, Shareholder Value. Business Process Reengineering, TQM, Total Management Quality, Wissensmanagement...
: Nein! Diese Pille-Palle-Modelle verlaufen praktisch ohne erkennbaren Impact. Die werden so nebenbei weggewischt.
Schön wärs. Leider wischen diese Pille-Palle-Methoden uns weg.
Wie? Weil sie bewährte Strukturen in Treibgut zertrümmern, selber aber nur Chaos und Verunsicherung hinterlassen.
Die schreckliche Konsequenz: Eine verunsicherte Führungskraft ist keine. Wer erkennt denn schon eine Person als Führungskraft an, die selbst nicht weiß, wo es lang geht? Da handeln wir doch eher wie die Taxifahrer aus New Delhi, die ihren deutschen Gast dorthin fahren, wo der hin will, und wenn's geht auf Umwegen.
: Naja, als QM-ler kann man da gewisse Missstände - oder das was man dafür hält, eben greifbarer in Zahlen dem allzeit gestressten Management "verdeutlichen" als im Aufzeigen von Problemen.
Das ist ein großer Vorteil. Führungskräfte, die schon immer wußten, daß man die Kultur im Team "pflegen" muß, aber bisher nicht durften, die können nun mit EFQM wedeln: "Chef, wenn wir hier bessere Ergebnisse erreichen wollen, dann brauche ich auch die Zeit, um meinen Mitarbeitern mal zuzuhören."
: Ein ROI für Meetings wäre da doch mal ein Ansatz

Oh nein, nicht noch eine Idee, ich verzettele mich schon zu sehr. Ich ahne nämlich gerade, wie man den ROI schätzen könnte unter Berücksichtigung der Schäden durch unerwünschte Nebenwirkungen.
Und ich weiß schon, daß dabei genau das bei raus kommt, was ich in der Vergangenheit als so vorteilhaft erleben durfte: Besprechungen, wo der Leiter schon im Vorfeld für Miteinander sorgte. Besprechungen, in denen die TOPs abgearbeitet wurden wie die Betonplatten auf der Autobahn unter dem Wagen verschwinden. Weil alle ein gemeinsames Ziel haben, das sie mit einem Minimum an Aufwand erreichen wollen, weil der Leiter für Fairneß sorgt und fuchsteufelswild wird, wenn er merkt, daß da einer sein Extrasüppchen kocht.
Oder wie Helmut Werner sagte:
"Ein Vorstandsvorsitzender muß eine Aura schaffen, in der sein Team sich mit seinen positiven, negativen, kreativen Elementen voll einbringen kann. Was dabei herauskommt, ist immer kontrovers. Irgendwann muß die Analysephase aber abgeschlossen werden und der Vorsitzende auf den Putz hauen: Schluß, aus, ..., so wird's gemacht." (Helmut Werner)
: : Ich halte das EFQM-Modell für das beste, das wir derzeit haben.
: Ja, wie ich in meinem früheren Beitrag schon bemerkt habe sehe ich das EFQM-Modell einfach als einen höheren Level nach der (veralteten) ISO 9000. Dort wurde der Acker geebnet, EFQM als Samen für alle weiteren Reifegrade, die Kette ist nach hinten offen. Leider sind wir bei der ISO hängen geblieben, ist halt so schön einfach.
Das klingt mir jetzt zu sehr nach Harmonie. Wir sind aber nicht im Esoterik-Forum.
: : * Ein "mehr an Höhenruder" ist durchaus geeignet, die Kennzahl "Flughöhe" zu verbessern. Das Beibehalten des hohen Anstellwinkels aber ist eine Garantie für "Aushungern, Abkippen, Trudeln, Aufschlagbrand".
: Naja, ...beispiel 2 für fehlende Rückkopplungs- und Regelmechanismen.
Nö, in der Marktwirtschaft funktionieren die schon. Ob man sie kennt oder nicht.
Nur - wer sie nicht kennt, der wird ihr Opfer. Wer sie kennt, und die Frühanzeichen richtig deutet, der ist im Vorteil.
: : Ich fühle mich wohler, wenn ich die Wechselwirkungen kenne, die diese Kennzahlen bewirken. Und das "Funktionieren" dieser Wechselwirkungen ist mir wichtiger als das "Maximum" der Summe der Kennzahlen.
: Widerspricht natürlich nicht meiner Überzeugung. Wenn das Management aber nur Zahlen sehen will muß man sich halt was einfallen lassen.
Viele stöhnen über die Uneinsichtigkeit ihres Chefs.
Eher falsch. Denn auch unser Chef darf ja nur vertreten, was auch sein Chef vertreten darf.
Folgerung: Es ist nicht notwendig, unseren Chef überzeugen zu wollen. Es reicht, wenn wir ihm die Argumente geben, die ihn erkennen lassen, seinem Chef würden die auch einleuchten.
Und da sind wir mit der Kulturlogik schon ein Stück näher dran. Natürlich mußte ich meine Erwartungen auch da wieder zurück nehmen, die übliche Reaktion ist wohl: "Ja, sie haben recht, aber es nicht opportun, daran zu rütteln. Aber lassen sie ihre Unterlagen mal da, vielleicht ergibt sich ja eine Gelegenheit."
: : :Ja, schwierig. Ich habe aber schon viele "Zauberkünstler" im positiven Sinn gesehen die die Bürokratie vorweisen und auf den eigenen gesunden Menschenverstand verlassen.
: : Das verstehe ich nicht.
: Wahr etwas mißverständlich ausgedrückt. Ich meinte damit die "echten Führungskräfte" die gem. dem gesunden Menschenverstand, Intuition, Gefühl, etc. ihre Aufgabe wahrnehmen und sich gegenüber Angriffen, alles "aus dem holen Bauch raus zu entscheiden" mit vorgeschobenen Zahlenfriedhöfen absichern.
O.K., Zustimmung. Ergänzung: Wer sich das Vertrauen seiner Mitarbeiter erarbeitet hat, kann so handeln gegenüber "gemeinsamen Gegnern".
Noch besser wäre er dran, könnte er auch mit diesen Gemeinsamkeit schaffen.
: : Die Gemeinsamkeit: Wer die Aerodynamik nicht verstanden hat, der hat auch keine Argumente, wenn sein Großaktionär meint, der Flügel des Starfighters sei doch so elegant, jedes Flugzeug müsse so einen haben...
: Solange ein Kundenstamm dafür zu begeistern ist ist das Vorgehen doch Zielführend! Und die Ingenieure werden mal wieder vor richtig anspruchsvolle Aufgaben gestellt. Die jammern doch sowieso immer nur "das geht nicht". Faule Säcke.

))
Ja, klar, so habe ich immer den technischen Fortschritt verstanden: Unser Kunde verlangt Unmögliches, unser blauäugiger Vertrieb verspricht ihm 25\% mehr, und wir legen uns krumm, entweder sind wir die Geprügelten oder haben ein Patent.
: : Ja, viele erzählen von weit größeren Problemen.
: Ich nicht. Für mich sind die Probleme nicht größer ("globaler") sondern kleiner oder verschoben.
Hm.
Kleiner: Ein Beispiel - wer unfähig ist, seinen Systemingenieur dazu zu bringen, sich im Namen der Sauberkeit zu bücken, um einen herumfliegenden Plastikfetzen zu entsorgen, der scheitert auch im Versuch, eine Unternehmenskultur mit vielen solcher Regeln zu verändern.
Verschoben? Was bedeutet das hier?
: Ist das nicht der klassische Ansatz? Viel hilft viel? Und wer will nach monatelanger harter Arbeit mit einem 20 seitigen QMH herauskommen das jeder versteht und an das sich jeder halten kann?? Was sollen denn der Boss und die Kollegen denken? Bei 200 Seiten sind sie beeindruckt, bei 500 Seiten sprachlos.
_Ein schrecklicher Verdacht: Möglicherweise steht hinter Druck und Mehrarbeit der Grund, daß im Falle eines Scheiterns niemandem ein Vorwurf gemacht werden kann." (Tom de Marco, _Der Termin")
De Marco hat das so schön gesagt, läßt sich nicht mehr toppen, kann man nur den Hut vor ziehen.
Ciao
Wolfgang Horn