Hi, Jürgen,
: Mein Ansatz ist nicht der eines Erziehers.
Die Begriffe "Prediger", "Erzieher", "Lehrer", "Trainer" und "Coach" gefallen mir alle nicht.
Wir wollen persönlich Zukunft und Sicherheit des Einkommens und des Arbeitsplatzes und daher Zukunft und Wachstum für unsere Unternehmenseinheit und unser Unternehmen.
Dazu müssen unsere Mitarbeiter überdurchschnittlich produktiv zusammen arbeiten.
Dazu brauchen wir Gemeinsamkeit der Entscheidungsgrundlagen. Und zwar keiner diktierten, die man nur widerwillig aus Angst vor Strafen befolgt, sondern aus Einsicht.
Als Führungskräfte suchen wir diese Gemeinsamkeit der Entscheidungsgrundlagen in unserem Verantwortungsbereich zu schaffen. Was zu den schwersten Aufgaben einer Führungskraft zählt, und auch zu den unbequemsten.
Wir Weiterbildner, Trainer, Lehrer können da nur helfen.
: ...ich bin kein Missionar (=Manipulator), sondern eher ein Aufklärer.
Das scheint mir auch die beste Art zu sein, zur Gemeinsamkeit der Entscheidungsgrundlagen beizutragen. Denn der Wissenschaftsbetrieb produziert eine Flut redundanter Theorien, und das verwirrt diejenigen, die letztlich Werte schaffen müssen.
: In unserer Branche, der Softwareentwicklung, ist der Begriff des QM, wenn überhaupt bekannt, sehr negativ besetzt. QM = (Dokumentation * starre, unflexible Regulierungswut)/Kreativität.
Tja, läßt sich auch einfach erklären: Mächtige, weil resultatverantwortliche Führungskräfte haben gern die Chance ergriffen, die unbequeme Aufgabe des Forderns und Vorlebens von Qualität zu delegieren an den QMB.
Dummerweise sind auch die Aufgaben
a) Resultatverantwortung,
b) Mitarbeiter disziplinarisch und fachlich führen,
c) Qualität bewirken und
d) Vorbildfunktion
nicht zu trennen.
Nun wurde aber getrennt, genervte Führungskräfte delegierten die unbequeme und nervige Arbeit, Qualität zu erwirken, an den frisch eingeführten QMB. Und so mancher QMB konnte sich nicht entziehen.
Zweckmäßiger wäre: Die Forderung "Qualität!" muß von den Resultatverantwortlichen kommen, diese müssen Qualität auch konsequent vorleben. Der QMB kann dann wirksamer sein als Berater, wie sich Mühen sparen lassen.
: Diese Voreinstellung ist mittlerweile geändert, durch harte Arbeit ganz nah an den Menschen.
Hihi, im Effekt eben doch "Erziehung"

), d.h. zweckmäßige Änderung der Entscheidungsgrundlagen.
: Ich seh das Ganze aber nicht als Dilemma, sondern als Wirklichkeit. Es gibt Vorgaben, an denen ich nichts ändern kann: Menschen mit all ihren Vorzügen und all ihren Schwächen.
Hm, wieder ein allgemeiner Denkfehler, den man so täglich vor sich hin sagt.
Ein Überbleibsel der biblischen Auffassung, der Mensch sei nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen, aber leider als fehlerhafte Samstagsproduktion.
(Wie gut, daß Gott noch keine Rückrufaktion gestartet hat...)
Die Zuordnung von Vorzügen und Schwächen zu einer Person erfordert vorher den Vergleich an einem allgemeingültigen Idealbild.
Das hat die Theologie geschaffen.
Aber jede Person hält sich selbst für optimal. Nicht perfekt, sondern nur so gut, wie sie selbst es nicht besser könnte oder wollte.
Deshalb mögen wir Menschen nicht den Vergleich mit einem Ideal - und die Vergleicher auch nicht.
: Wichtige Prämisse ist dabei, dass Arbeitnehmer grundsätzlich Interesse haben, dass es dem Unternehmen gut geht.
Diese Prämisse ist problematisch. Denn logisch läßt sich beweisen: Unternehmer und Arbeitnehmer haben höchstes Interesse, daß sie sich selbst wohl fühlen. Dazu wollen sie, daß es ihren Kindern und Familien gut geht und ihnen selbst. Deshalb wollen sie Sicherheit ihres Arbeitsplatzes, und als Mittel dazu Zukunft ihrer Unternehmenseinheit und ihres Unternehmens.
Aber wenn die Arbeitnehmer ihre persönlichen Ziele gesichert sehen auf Kosten des Unternehmens, dann muß man mit Illoyalität rechnen.
: (Das ist in unserem Fall schon durch die geringe Größe der Firma gegeben)
Klar. "Gemeinsamer Kampf um die gemeinsame Zukunft" kann sehr gut zusammenschweißen.
: Genauso wichtig ist, dass Top Management die Mitarbeiterorientierung ehrlich meint, und nicht als Gewinnmaximierungsfaktor.
Ach Herrjeh, schon wieder so ein Spruch, den man landesweit auf und ab wiederholt, und der doch nur Heuchelei ist. Denn "Mitarbeiterorientierung" ehrlich zu meinen ist ein Widerspruch in sich.
Denn einem Unternehmer darf nichts wichtiger sein als seine persönliche Zukunft.
Erfolgsbeispiel: "Gewiß habe ich nach Gewinn und Reichtum gestrebt, doch wesentlich nicht, um sie zu genießen, ... [sondern] um die Mittel zur Ausführung anderer Pläne und Unternehmen zu gewinnen.." (Werner von Siemens, 1816 bis 1892)
Er orientierte sich überhaupt nicht nach seinen Mitarbeitern, sondern allein nach seinen eigenen Zielen. Auf diese Art und Weise war er dann auch glaubwürdig.
Daß seine Mitarbeiter das Ziel "Zukunft und Wachstum für unser Unternehmen und unsere Arbeitsplätze" teilen, sich also alle nach demselben Ziel orientieren, das ist viel besser als Mitarbeiterorientierung.
: Sie denken an Beliebigkeit, beim Auspruch "es gibt keine Wirklichkeit außer der, die wir uns selbst erfinden". Ich nicht. Für mich steckt da ganz viel Wahrheit dahinter. Zum Beispiel kann ich nur auf jemand eingehen, wenn ich seine "Sicht der Welt", eben seine Wirklichkeit nachvollziehen kann.
"Seine Sicht der Welt", sein Abbild der Welt, seine Karte der Welt, ja.
Aber weder Ihre Karte ist die Wirklichkeit, Jürgen, noch meine. Beide sind fehlerhafte Abbilder.
: Genau das ist der Grund, warum Sie manche meiner Gedanken nicht verstehen und auch gar nicht verstehen können, genauso wenig wie ich ihre.
Ja und? Perfektion strebe ich gar nicht an. Nur überdurchschnittlich Resultate. Für die wir bloß produktiver zusammen arbeiten brauchen als unsere Konkurrenz.
: Führung kann doch nur gut sein, wenn sie den "Geführten" als Mensch berücksichtigt.
Führen ist nur möglich, wo Personen uns als Führungskraft akzeptieren. Wo sie meinen: "Was mein Chef, der Jürgen, will, das wird letztlich auch für mich gut sein" und "unter seiner Leitung erreiche ich meine persönlichen Ziele letztlich mit weniger Mühe als unter der Leitung eines anderen."
Das gilt für Trainer, Lehrer und QMB's genauso.
Ciao
Wolfgang Horn