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WolfgangHorn_
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Hi, Vivian,
: sie haben den Nagel im Grunde auf den Kopf getroffen -
Danke. Ich fürchte, daß ich hierin Recht habe.
Volkswirtschaft ist mir aber viel zu hoch.
Ich höre die Koryphäen der VoWi in ihren Fernsehbotschaften über Wettbewerbsfähigkeit reden, daß der Kündigungsschutz zu hoch wäre und die Unternehmen ruiniere, daß, daß, daß - mit anderen Worten: Aus Sicht der hohen amerikanischen Standards verlieren wir, wir müssen uns an die USA anpassen.
Aber das ist, als wolle man die Fußball-Bundesliga, immerhin Vizeweltmeister, nach den Standard der American Football League beurteilen: Viel zu sanft, die Hände werden gar nicht eingesetzt, viel zu wenig Panzerung...
Unsere Arbeitskultur ist eben nicht die des Hire&Fire und des verinnerlichten Zwangs zur begeistert-kritiklosen Zustimmung: "Yes, Sirr, yes! I'll invent the perpetuum mobile, you'll have no problems, I'm your man, man, eh!"
Unsere Arbeitskultur ist eben nicht in Einwanderungswellen entstanden, sondern aus dem Handwerk des Mittelalters heraus gewachsen: Sehr viel mehr Miteinander, sehr viel mehr engagiertes Mitdenken, viel mehr Fürsorge der Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern, viel geringere Fluktuation, viel höhere Qualifikation der Arbeiter.
In dieser hochqualitativen Arbeitskultur wirkt die Anwendung der Erfolgsrezepte aus der Kultur des Hir&Fire, als wolle Hertha BSC den Durchbruch in der Bundesliga schaffen durch Anwendung von Erfolgsrezepten aus der National Football Legea.
So dumm ist kein Fußballtrainer.
Leiter von Projektorganisationen auch nicht, aber was sollen sie tun, wenn man ihnen Checklisten andient, die zu US-amerikanischen Idealen passen.
Volkswirtschaft ist zu hoch. Aber im eigenen Bereich können wir wenigstens ein wenig tun.
Ciao
Wolfgang
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Vivian_
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Hallo
leider konnte ich die Diskussion in den letzten Tagen nicht verfolgen und mich beteiligen - habe sie gerade überflogen.
Die Argumente aller Beteiligten sind hochinteressant. Ich habe jedoch am Wochenende zufällig ferngesehen. (Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, ich bin kein Verfechter des Taylorismus!!!)
Deutsche Unternehmen gehen nach China, Tailand wenn es ihnen dort zu teuer wird oder die Arbeitskräfte mit der Zeit höhere Forderungen stellen auch nach Afrika/Südamerika, und führen Tayloristische Arbeitsmodelle wieder ein. Hier werden z. T. moderne Maschinen durch jede Menge Manpower ersetzt, weil eben 20 Chinesen immer noch billiger sind, als ein Montageroboter + 1 Bediener am deutschen Montageband. Die Arbeitskräfte sind häufig nur für einen einzigen Arbeitsgang ausgebildet und bekommen dafür einen entsprechend niedrigen Lohn. Oder in Deutschland werden moderne technische Anlagen entwickelt und anschließend in asiatischen Niederlassungen deutscher Unternehmen eingesetzt.
Die Produkte werden anschließend in der sogen. 1. Welt verkauft.
Es gibt viele - auch deutsche Hochtechnologie-Unternehmen - die sich sowohl den Sozialsystemen, Managementmethoden und -moden der sogen. 1. Welt als auch ihren satten deutschen Mitarbeitern einfach entziehen. Der Trend zeichnet sich deutlich ab.
Weiteres Problem:
Deutsche Arbeitsnehmer mit niedrigem Ausbildungsstand haben in Deutschland derzeit kaum noch eine Chance, einen geistig wenig anspruchsvollen Arbeitsplatz zu finden, gerade weil Stellen ohne entsprechende Kopfarbeit immer weniger zur Verfügung stehen, bzw. aus Deutschland verlagert wurden - was passiert gesamtgesellschaftlich?
Die Pisa-Studie bestätigt außerdem, dass unsere zukünftigen Arbeitnehmer nicht unbedingt durchschnittlich besser qualifiziert und damit auch leistungsfähiger sein werden.
Kann eine Gesellschaft nur auf Basis von Dienstleistung, Forschung und Entwicklung ohne die eigentliche Produktion existieren?
Gruß
Vivian
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WolfgangHorn_
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Hallo, Vivian,
> Problemstellung: <
: Deutsche Unternehmen gehen nach China, Tailand...und führen Tayloristische Arbeitsmodelle wieder ein.
: Kann eine Gesellschaft nur auf Basis von Dienstleistung, Forschung und Entwicklung ohne die eigentliche Produktion existieren?
Gewiß nicht. Sie wird als Altenpflegeheim verkauft, damit die spärlichen Pfleger bezahlt werden können.
Wenn unsere Arbeitslosen die Produkte der Firmen nicht mehr kaufen können, die sie entlassen haben, dann werden auch die Manager auf der Straße landen, weil ihre Firma mangels Kunden pleite ist.
> Problemursache
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Vivian_
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Hallo Wolfgang,
sie haben den Nagel im Grunde auf den Kopf getroffen - aber steht unser gesamtes Wirtschaftssystem und unser Kapitalismus (den Begriff "Soziale Marktwirtschaft" verabscheue ich zutiefst) nicht vor einem enormen gesellschaftlichen Problem?
Wird nicht die Wertschöpfung aus dem eigenen Lande ins Ausland verlagert und der Binnenmarkt bis zum bitteren Ende der Kaufkraft zunehmend als reiner Absatzmarkt betrachtet?
Wird nicht zunehmend billiger im Ausland produziert um die Produkte im Hochpreisland Deuschland oder meinetwegen auch Europa abzusetzen. Durch immer weniger wertschöpfende Arbeit + entsprechender Entlohnung im Inland sinkt zwangsweise auch die Kaufkraft?
Fokusierung auf
- Shareholder-Value
- Aktienkurse
- kurzfristig steigende Gewinne (Was sind schon 20/30 Jahre in der Entwicklung eines Staates) weniger Wirtschaftsteilnehmer auf kosten unseres gesamten Wirtschaftssystems
Ist es nicht enorm wichtig, dass die Feile im Inland in die Hand genommen wird und der Arbeiter hier sein Geld verdient und dieses im Binnenland verkonsumiert?
Kontrovers und unsozial:
Taylorismus bietet vor allem in Produktionsprozessen äußerst reizvolle Alternativen für Unternehmen, die ihre Gewinne schnell und kurzfristig steigern wollen. Diese Alternative wird ihnen in Deutschland durch das hohe soziale Niveau Deutschlands, Arbeitsgesetzgebung sowie durch die Bevormundung durch Betriebsräte vergällt. Sie gehen einfach in Länder, in denen sich Arbeitskräfte für ein paar wenige Euro auspumpen lassen.
Ich war in einigen Ländern der 3. Welt urlaubsmäßig unterwegs - für Geld vergessen selbst renomierte deutsche Unternehmen die weltweite Ächtung von Kinderarbeit, jeglichen Arbeitsschutz - selbst recht hoch qualifizierte Angestellte arbeiten für eine "Mohrrübe". Tut er das nicht mehr, findet sich ein anderer (auch in einem anderen Land), für den der geringe Verdienst als Motivation ausreicht.
Na ja, zu diesem Thema kann man wohl ewig philosopieren.
Gruß
Vivian
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WolfgangHorn_
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Hi, Vivian,
: sie haben den Nagel im Grunde auf den Kopf getroffen -
Danke. Ich fürchte, daß ich hierin Recht habe.
Volkswirtschaft ist mir aber viel zu hoch.
Ich höre die Koryphäen der VoWi in ihren Fernsehbotschaften über Wettbewerbsfähigkeit reden, daß der Kündigungsschutz zu hoch wäre und die Unternehmen ruiniere, daß, daß, daß - mit anderen Worten: Aus Sicht der hohen amerikanischen Standards verlieren wir, wir müssen uns an die USA anpassen.
Aber das ist, als wolle man die Fußball-Bundesliga, immerhin Vizeweltmeister, nach den Standard der American Football League beurteilen: Viel zu sanft, die Hände werden gar nicht eingesetzt, viel zu wenig Panzerung...
Unsere Arbeitskultur ist eben nicht die des Hire&Fire und des verinnerlichten Zwangs zur begeistert-kritiklosen Zustimmung: "Yes, Sirr, yes! I'll invent the perpetuum mobile, you'll have no problems, I'm your man, man, eh!"
Unsere Arbeitskultur ist eben nicht in Einwanderungswellen entstanden, sondern aus dem Handwerk des Mittelalters heraus gewachsen: Sehr viel mehr Miteinander, sehr viel mehr engagiertes Mitdenken, viel mehr Fürsorge der Arbeitgeber gegenüber ihren Arbeitnehmern, viel geringere Fluktuation, viel höhere Qualifikation der Arbeiter.
In dieser hochqualitativen Arbeitskultur wirkt die Anwendung der Erfolgsrezepte aus der Kultur des Hir&Fire, als wolle Hertha BSC den Durchbruch in der Bundesliga schaffen durch Anwendung von Erfolgsrezepten aus der National Football Legea.
So dumm ist kein Fußballtrainer.
Leiter von Projektorganisationen auch nicht, aber was sollen sie tun, wenn man ihnen Checklisten andient, die zu US-amerikanischen Idealen passen.
Volkswirtschaft ist zu hoch. Aber im eigenen Bereich können wir wenigstens ein wenig tun.
Ciao
Wolfgang
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: Ich höre die Koryphäen der VoWi in ihren Fernsehbotschaften über Wettbewerbsfähigkeit reden, daß der Kündigungsschutz zu hoch wäre und die Unternehmen ruiniere, daß, daß, daß - mit anderen Worten: Aus Sicht der hohen amerikanischen Standards verlieren wir, wir müssen uns an die USA anpassen.
Diesen Koryphäen stören mich auch gewaltig. Bei denen habe ich oft den Eindruck, sie werden von UN gesponsert und picken sich für diese die Rosinen aus dem Hire&Fire-System. Kein Wort darüber, daß viele amerikanische UN ihren MAs die private Krankenversicherung bezahlen, was mittlerweile zu einem Problem wird. Denn der sogenannte Wettbewerb verteuert die Kosten im Gesundheitswesen und senkt sie nicht wie in D immer behauptet wird. Es gibt jetzt sogar mehrere amerikanische Wirtschaftswissenschaftler, die zwecks Kostenreduktion eine GKV fordern.
Ich weiß nicht mehr genau für welchen Automobilkonzern, ich glaube Ford war es, gilt bei der Kündigung von MAs eine volle Lohnfortzahlung von einem Jahr, eine Weiterzahlung von 70\% für ein weiteres Jahr und im nächsten Jahr 50\% (die Zahlen weiß ich nicht mehr genau, aber das Strickmuster stimmt). Die Zahlungen enden entweder, wie oben erwähnt nach 3 Jahren oder wenn der ehemalige MA einen neuen Arbeitsplatz hat.
Zusätzlich bezuschussen die meisten amerikanischen UN die private Altersvorsorge.
Man sieht die Amerikaner haben sehr wohl ihre Lohnnebenkosten nur anders und von flexibleren Gewerkschaften und Betriebsräten ausgehandelt. Diese Flexibilität würde ich mir auch in D wünschen.
Diese Gerede von hohen Lohnkosten geht mir auf die Nerven. Zwar sollte man aufpassen, daß sie nicht ausufern, aber wer glaubt durch eine ausgelassene Lohnerhöhung und weglassenes Weihnachts- und Urlaubsgeld konkurrenzfähig zu sein kann wohl nicht rechnen. Wie will man konkurrenzfähig sein, wenn mit Ländern konkurriert, in denen für 2,50€/Tag (ich betone: Tag!!!) gearbeitet wird? Wenn der Qualitätsbegriff nur auf das Produkt bezogen wird, sind diese Länder in vielen Bereichen (leider) konkurrenzfähig.
Was bleibt übrig?
Wir müssen die besseren Produkte haben. Das heist für mich: Viel mehr die Kundenwünsche vor der Entwicklung berücksichtigen und auch dann in der Entwicklung umsetzen. Eine Paradebeispiel für Fehlentwicklungen ist die Handybranche. Die meisten Leute (wie ich auch), die ich kenne, wollen damit einfach nur telefonieren können. Wenn das aber so weiter geht, können die Dinger bald toasten. Wer braucht das. Aber ein Handy zu bekommen, das im Sommer nicht vom Schweiß in der Hosentasche zerstört wird ist Mangelware.
Ein weiterer Punkt ist für mich: Hochlohnländer müssen innovativer sein, um die besseren Produkte zu haben. Ich weiß fast jeder hält sich für innovativ. Ich meine Querdenker, die man auch mal läßt und die man nicht abblockt mit der Begründung, das ginge eh nicht oder das habe man schon immer anders gemacht. Man nennt solche Gegenargumente nicht umsonst Killerphrasen. Man bedenke, die größten Erfindungen, die unser gesellschaftliches Leben veränderten, stammten von eben diesen Querdenkern.
Ein weiteres Mittel ist der Verbraucher, solange er z. B. Kinderarbeit nur anprangert und zu bequem (oder was auch immer) ist dagegen zu handeln, werden UN weiter im Ausland produzieren. Als Beispiel für die Macht des Verbrauchers möchte ich Brent Spar und Shell erwähnen. Für mich persönlich ist das Buch "Schwarzbuch Markenfirmen" (Autoren weiß ich jetzt nicht, kann ich aber bei Interesse nachreichen) ein "Einkaufsleitfaden" geworden. Für letztes Jahr habe ich mir die Mühe gemacht und einmal ausgerechnet , daß mich das Handeln nach ethischen Aspekten keine 10\% mehr gekostet hat. Was sind 10\% mehr gegenüber einem Sozialhilfesatz (Wenn er überhaupt irgendwann noch bezahlbar ist!)? Wer aber sagt, er könne eh nichts ausrichten hat schon verloren. Wie gesagt, die Masse machts und mittelfristiges Denken.
Als Infoquelle gibt es nicht nur oben erwähntes Buch. In unserer Informationsgesellschaft kommt eigentlich jeder, der will an entsprechendes Material. Für mich der Grund, warum z. B. Linux so erfolgreich ist. Jeder, der dieses OS hat braucht Infos und gibt seine eignen Infos weiter. Solange dies so bleibt wird der Pinguin den Redmondern auch noch ein bißchen "wehtun".
Ich hoffe Ihr fühlt Euch nicht zugesülzt.
MfG
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