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TOPIC: Aufbewahrungsfristen

Re: Aufbewahrungsfristen - Problem erkannt 22 years 2 weeks ago #4366

  • Vivian_
  • Vivian_'s Avatar
: Hallo Andre,
: Wie will sich der Aufgeber eigentlich von der tatsächlichen Vernichtung der Unterlagen überzeugen? Führen die eine Betriebsdurchsuchung durch?
*Das habe ich mich auch schon gefragt. Diese Forderung finden wir in fast allen Verträgen wider. Auf der anderen Seite sind wir als Unternehmen immer beweispflichtig, dass wir einen Schaden nicht verursacht haben. Also Schwamm drüber, Unterlagen archiviert und beim möglichen Kundenaudit niemandem auf die Nase binden.
Interessant wird die Geschichte tatsächlich erst im Schadensfall. Die Verträge der Automobilisten enthalten viele "kriminelle" und kartellrechtlich bedenkliche Forderungen - aber wer hat die Macht.
Wo liegt der belastbare Schutzeffekt für den Auftraggeber, wenn eine derartige Vereinbarung wahrscheinlich schon sittenwidrig ist?
: Irgendwie ist der Groschen da bei mir noch nicht gefallen...
*
Mit dem Begriff "Sittenwidrigkeit" musst du vorsichtig umgehen. Was bei vertraglichen Regelungen mit dem Endverbraucher als eindeutig sittenwidrig gilt, muss zwischen Kaufleuten (Def. HGB) noch lange nicht sittenwidrig sein.
Wir sind im Entwicklungsgeschäft tätig. Das Eigentum an unserer Entwicklung behält sich der Automobilist sowieso vor. Wir können also unsere Entwicklungen nicht anderweitig vermarkten = Recht am Patent. Außerdem zahlt der Kunde die Entwicklung und damit hat er auch das Recht am vollständigen Know How und allen dazugehörigen Unterlagen um genau seine Interessen und Rechte daran zu schützen. Die oben beschriebene Praxis ist bei weitem nicht sittenwidrig und im Entwicklungsgeschäft für die Automobilindustrie gängiges Tagesgeschäft.
Wir müssen abwägen, gehen wir das vertragliche Risiko ein oder verzichten wir auf den Auftrag? Dann machts ein anderer.
Viele Grüße
Vivian





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Aufbewahrungsfristen 22 years 2 weeks ago #4367

  • Vivian_
  • Vivian_'s Avatar
Hallo Michael,
ich hoffe ich kann deine Verwirrung doch noch auflösen.
*Bei der Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren musst du ganz genau abgrenzen, welche Dokumente (vor allem Nachweisdokumente) sind wichtig, um die Sicherheit deines Produktes zu beweisen. Aus dem QMH können das z. B. Prüfanweisungen und die Aufzeichnungen zu Qualitätsprüfungen sein. Die Nachweispflicht ist weiterhin abhängig vom Risiko, das vom Produkt ausgeht. Wenn ihr Teile für die Flugzeugindustrie oder sicherheitsrelevante Teile für die Automobilindustrie (z. B. Fahrwerk) produziert, ist diese Aufbewahrungsfrist gerechtfertigt.
Produziert ihr Büromöbel, könnt ihr mit einer wesentlich niedrigeren Aufbewahrungsfrist herangehen. Wann bricht denn schon mal ein Schreibtisch zusammen und verletzt einen Menschen tödlich? Anders Audi TT - Heck bricht beim Bremsen aus - Auto am Baum - Entwicklungsfehler. Oder A-Klasse kippt um - totale Fehlkonstruktion.
: Was bedeutet in diesem Zusammenhang der Kommentar von Wolfram:
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Re: Aufbewahrungsfristen 22 years 2 weeks ago #4368

  • Wolfram_
  • Wolfram_'s Avatar
Hallo Vivian,
erstmal super, dass die Diskussion so rege ist. Jetzt habe ich daraufhin mir die Sache noch mal angeschaut und will Dir antworten.
Zum einen, habe ich in meinem Eingangskommentar Dinge aufgezählt, die aus meiner Sicht bei der Festlegung von Aufbewahrungszeiten beachtet werden sollten. Dies ist sicher nicht vollständig, kann aber helfen.
Zum anderen habe ich mal in meinen Unterlagen nachgeschaut. Ich habe da ein Abo vom WEKA-Verlag zum Thema Produkthaftung. Darin habe ich zur Verjährung folgendes gefunden:
Vertragliche Verjährung
Die Verjährung betrifft eine Regelung, wonach der Anspruchsteller unter Umständen seine Ansprüche nicht mehr durchsetzen kann, weil eine vom Gesetz vorgesehene Frist zur Durchsetzung dieser Ansprüche in Form einer Verjährungsfrist abgelaufen ist. Die Dauer der Verjährung richtet sich dabei nach dem jeweiligen Anspruch.
Die so genannten Mängelgewährleistungsansprüche, d.h. der Anspruch auf Kaufpreisminderung, Rückgängigmachung des Vertrags sowie Schadensersatz für den Mangelschaden, d.h. den Minderwert dieses mangelhaften Produkts, verjähren grundsätzlich in zwei Jahren ab Übergabezeitpunkt.
Eine Sonderregelung besteht für den Lauf der Verjährung in der Regresskette vom letzten Verkäufer bis hin zum Hersteller. Der Letztverkäufer kann von seinem Lieferanten die Erstattung aller Aufwendungen verlangen, die er in Erfüllung von Mängelgewährleistungsansprüchen gegenüber dem Endverbraucher erbracht hat. Die Verjährung dieses Anspruchs läuft allerdings erst frühestens zwei Monate nach Erfüllung der Ansprüche durch ihn selbst (für dann ebenfalls zwei Jahre). Gegenüber dem Endhersteller besteht wiederum für längstens fünf Jahre die Möglichkeit, diesen in Anspruch zu nehmen.
Schadensersatzansprüche wegen Mangelfolgeschäden verjähren demgegenüber in der regelmäßigen Verjährungsfrist gern. _ 195 BGB von drei Jahren. Hier beginnt die Verjährungsfrist zu laufen, wenn der Anspruch entstanden ist und wenn der Anspruchsteller Kenntnis von der Person des Schuldners erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Für den Mangelfolgeschaden spielt die letztgenannte Einschränkung in der Regel keine Rolle, da der unmittelbare Vertragspartner in der Regel bekannt ist. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, besteht jedoch längstens 30 Jahre die Möglichkeit, in Anspruch zu nehmen (jedenfalls für Schadensersatz aufgrund Körperverletzung); in allen anderen Fällen längstens für zehn Jahre.
Der Lauf der Verjährungsfrist kann vertraglich verändert werden. Allerdings verbietet dabei das Gesetz bei Verbrauchsgütern eine Herabsetzung unter zwei Jahre bzw. bei gebrauchten Sachen unter einem Jahr.
Verjährung nach Produkthaftung
Gemäß _ 12 ProdHaftG verjähren Ansprüche in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Ersatzberechtigte vom Schaden Kenntnis erlangt hat. Um diese Anforderung zu konkretisieren, folgende Entscheidung des OLG Köln (vom 10.01.1996; abgedruckt in VersR 1996, S. 1289):
Die für den Beginn der Verjährung eines Schadensersatzanspruches erforderliche Kenntnis [...] erfordert keine Gewißheit, die auf für die Prozeßführung benötigte Beweise gestützt ist, sondern nur einen solchen Grad vernünftiger, auf Tatsachen gestützter Überzeugung, daß das Risiko einer klageweisen Geltendmachung der Ansprüche vertretbar erscheint, notfalls auch nur im Wege der Feststellungsklage.
Dies bedeutet: Der Geschädigte kann nicht bis zu einem Zeitpunkt warten, an dem sich für ihn eine 100\%ige Sicherheit ergibt, dass der Hersteller den Schaden verursacht hat und somit auf Grundlage des ProdHaftG zur Haftung verpflichtet ist. Die Verjährungsfrist läuft vielmehr bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen Haftungsfall ergibt.
Aus der Vorschrift des S 12 ProdHaftG würde für sich genommen folgen, dass der Hersteller während eines unbegrenzten Zeitraums ab dem Inverkehrbringen der Produkte mit Schadensersatzansprüchen rechnen müsste.
Eine solche Situation wäre nicht akzeptabel. Daher sieht _ 13 ProdHaftG vor, dass die Ansprüche des Geschädigten zehn Jahre nach dem erstmaligen Inverkehrbringen des Produkts erlöschen.
Vielleicht hilft das weiter.
Gruß Wolfram



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Aufbewahrungsfristen - Problem erkannt 22 years 2 weeks ago #4371

  • Andre_
  • Andre_'s Avatar
Hallo Vivian!
Jetzt isser gefallen... der Groschen.
Danke und
viele Grüße
Andre




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Re: Aufbewahrungsfristen 22 years 2 weeks ago #4375

  • Vivian_
  • Vivian_'s Avatar
Hallo Wolfram,
Super deine Ausführungen.
Auf den _ 823 BGB ist WEKA nicht eingegangen:

_ 823 BGB
Schadensersatzpflicht
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Über den allumfassenden _ 823 bekommst du alle Produkthaftungsfälle erfolgreich vor den Kadi.
Viele Grüße
Vivian




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Re: Aufbewahrungsfristen - Problem erkannt 22 years 2 weeks ago #23036

  • Vivian_
  • Vivian_'s Avatar
: Hallo Andre,
: Wie will sich der Aufgeber eigentlich von der tatsächlichen Vernichtung der Unterlagen überzeugen? Führen die eine Betriebsdurchsuchung durch?
*Das habe ich mich auch schon gefragt. Diese Forderung finden wir in fast allen Verträgen wider. Auf der anderen Seite sind wir als Unternehmen immer beweispflichtig, dass wir einen Schaden nicht verursacht haben. Also Schwamm drüber, Unterlagen archiviert und beim möglichen Kundenaudit niemandem auf die Nase binden.
Interessant wird die Geschichte tatsächlich erst im Schadensfall. Die Verträge der Automobilisten enthalten viele "kriminelle" und kartellrechtlich bedenkliche Forderungen - aber wer hat die Macht.
Wo liegt der belastbare Schutzeffekt für den Auftraggeber, wenn eine derartige Vereinbarung wahrscheinlich schon sittenwidrig ist?
: Irgendwie ist der Groschen da bei mir noch nicht gefallen...
*
Mit dem Begriff "Sittenwidrigkeit" musst du vorsichtig umgehen. Was bei vertraglichen Regelungen mit dem Endverbraucher als eindeutig sittenwidrig gilt, muss zwischen Kaufleuten (Def. HGB) noch lange nicht sittenwidrig sein.
Wir sind im Entwicklungsgeschäft tätig. Das Eigentum an unserer Entwicklung behält sich der Automobilist sowieso vor. Wir können also unsere Entwicklungen nicht anderweitig vermarkten = Recht am Patent. Außerdem zahlt der Kunde die Entwicklung und damit hat er auch das Recht am vollständigen Know How und allen dazugehörigen Unterlagen um genau seine Interessen und Rechte daran zu schützen. Die oben beschriebene Praxis ist bei weitem nicht sittenwidrig und im Entwicklungsgeschäft für die Automobilindustrie gängiges Tagesgeschäft.
Wir müssen abwägen, gehen wir das vertragliche Risiko ein oder verzichten wir auf den Auftrag? Dann machts ein anderer.
Viele Grüße
Vivian





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