Hallo Michaela,
ist sich der Nörgler bewußt, daß er gerade seine Geschäftsführung angreift und ihr Unfähigkeit vorwirft?
Auf den Kriegsschiffen seiner Majestät seinerzeit wäre er wegen Rebellion an der Besam-Rah aufgeknüpft worden.
Viel problematischer ist aber, daß seine Kollegen ihm nicht ins Wort fallen "du Spinner, stimmt doch gar nicht, du liegst falsch, du redest dich um Kopf und Kragen".
Noch problematischer, daß seine Führungkräfte das auch nicht tun!!!!
So klingt das nach Rädelsführerei - die Tatsache, daß seine Äußerungen geduldet werden, werte ich als Indiz, daß die anderen ihm mehr oder weniger zustimmen.
Eine Besonderheit der Rädelsführer: Ihre Entfernung nützt überhaupt nichts. Denn diese Maßnahme stachelt die anderen nur an, und dann übernimmt die nächste Person die "Fahne" des Rädelsführers.
(Zweite Besonderheit am Rande: Als Rädelsführer für tabuisierte Themen finden sich bevorzugt solche Personen, die geringe Risiken eingehen. Also: ledig, jung, naiv, aber begeistert, und ein reiches Erbe in Aussicht hilft auch. Wer eine Frau und 4 Kinder daheim hat, überlegt dreimal, ob er durch Mundaufreißen seinen Job riskiert.)
In den mangelnden Gegenstimmen seitens seiner Kollegen und seines Chef liegt die wohl größte Gefahr, die Ihre Bemühungen scheitern lassen können.
Dem gegenüber ist der Nörgler selber ziemlich unwichtig.
(Ich vermute mal, Michaela, Sie haben dies schon gespürt. Weil wir dieselben Zusammenhänge auch in der Schulklasse erleben und bei Oktoberrevolutionen.)
Begründung für die Illoyalität: Sie sind im Namen der Geschäftsführung tätig. Die hat sich überlegt, was wohl der beste Weg sei, und diesen gewählt, für den Sie ackern und schuften.
Kritik, insbesondere in Form konstruktiver Vorschläge, ist da sicher gewünscht. Denn nichts ist perfekt, wir sind eben keine Götter.
Aber das, wovon Sie erzählen, das ist mehr als Kritik. "Alles nichts taugt" ist eine Pauschalisierung, die man nicht mal als Ausrutscher dulden darf.
Dies "wehrkraftzersetzende" Gerede hetzt Kollegen auf, kostet Ihrer Maßnahme Unterstützung, treibt Risiken und Kosten.
Die Pauschalvorwürfe werfen der Geschäftsführung Fehlentscheidung vor, also Unfähigkeit, und daß sie unfähig sei, das "Ruder herum zu werfen".
Ist seinem Chef eigentlich bewußt, wie der Nörgler seine Weste beschmutzt? Die Karriereaussichten seines Chefs stufe ich im Moment als gleich Null ein.
Mein Rat auf der Grundlage Ihrer wenigen Worte:
* Auf gar keinen Fall entlassen oder hart bestrafen. Der Schuß geht ähnlich nach hinten los wie der Versuch, den aufflammenden fanatischen Djihad abzuwürgen, indem man Bomben schmeißt. Einer der größten Fehlschläge der Geschichte war der Versuch, die "zivil-terroristischen" christlichen Gedanken aus der Welt zu schaffen, indem man ihren Propheten, Jesus Christus, ans Kreuz nagelt. Märtyrer fackeln die Gedanken erst richtig an. Ideen sind ziemlich resistent gegen Gewalt.
* Ziel: a) Der Nörgler teilt seine Vorwürfe auf in berechtigte Kritik und in ungerechtfertigte Vorwürfe. Erste werden konstruktiv verwendet, die anderen zieht er zurück. b) Für seine Kollegen: Sie vollziehen das nach, ergänzen die Kritik vielleicht noch, und stimmen zu, welche Vorwürfe ungerechtfertigt waren. Dies ist notwendig, um die wieder "ins Boot" zu holen. d) Sein Chef hat bewiesen, daß er auch "schwierige" Mitarbeiter im Griff hat und zukünftige Wiederholungen vermeiden wird. Indem er Schritte zu diesem Ziel tüchtig unterstützt. e) Ihre Geschäftsleitung hat eine Krise überstanden. f) Sie haben ihr dabei geholfen.
_Tragfähiger Konsens entsteht nicht aus allgemeinem Harmoniestreben, sondern nur aus ausgetragenem Dissens.