Danke, Herr Scholder,
daß Sie wohl das Kernproblem für QM in sozialen Einrichtungen genannt haben.
Das Kernproblem sehe ich in Krankenhäusern sehr deutlich, und auch in Schulen und in Universitäten.
Ich nenne es nicht so höflich-zurückhaltend wie Sie, sondern:
Wo der eigentliche Kunde (Schüler, Kranker, Bewohner eines Altenheims) entmündigt wird ("Wie soll man denn mit dem Schülermaterial noch den Lehrplan erfüllen?", "Kranke braucht man doch mit der Arztrechnung nicht verwirren, die Kosten machen Ärzte und Krankenkasse unter sich aus", "Na, Opa, geht's uns wieder gut?"), wird Qualitätsmanagement nicht zum Vorteil des Kunden angewandt werden, sondern als Hebel zum Senken der Kosten. Auf Kosten der sozial engagierten und der eigentlichen Kunden.
Das nenne ich Mißbrauch des Qualitätsgedankens, oder meinetwegen auch Pervertierung.
Meine Erfahrung aus "QM im Krankenhaus": Diejenigen, die sich dort engagieren (Ärzte, Schwestern, Pfleger, Unterstützungspersonal) orientieren sich in einem sehr hohen Maße direkt an ihren Kunden - sie sind Schwester geworden, um etwas für ihre Patienten zu tun, und ihr vielleicht höchster Lohn ist das dankbare Strahlen ihres Patienten.
Qualitätsprobleme im Krankenhaus scheinen mir eher die Folge zu sein von Führungsfehlern (die seltener die Schuld des Führenden sind, sondern meist von oben erzwungen), und Verunsicherung der Führungskräfte.
Diesen Engagierten ein QM-System aufzupfropfen, das in der Industrie für die kostengünstige Fertigung von Massengut entwickelt wurde, ist höchst fraglich. Es wäre eine Schande, wenn die Schwester weniger Zeit für ihre Patienten hätte, weil sie ihre Nase in Berichte stecken muß.
Herr Scholder, blind und mit sicher fehlerhaft handelt daher, wer unter "Einführung von QM in eine soziale Einrichtung" die Übertragung in der Industrie bewährter Techniken, Methoden und Software in den sozialen Bereich versteht.
(Würde mich mal interessieren, wie sich die Qualität der Abnahme einer Beichte messen läßt...

)
Weil Patienten eben keine willenlosen Zylinderköpfe sind, sondern ihre eigenen Wünsche haben.
Und deshalb muß die Einführung von QM in sozialen Einrichtungen auch die instutionalisierten Ursachen für Qualitätsmängel beseitigen - und das scheint mir heißen: Klare "Lieferanten"-"Kunden-Beziehungen herzustellen.
Das heißt: Beendigung der Entmündigung der eigentlichen Kunden. "Schülermaterial" ist zwar noch etwas besser als die altpreußische Kadettenzüchtigungsanstalt, aber der Stop der Prügelei beseitigt nur eine Form der Unmenschlichkeit. Schüler dürfen nicht das Material zum Erfüllen von Lehrplänen sein, sondern die Lehrpläne ein Mittel, damit die Schüler ihre Erfolg in ihrem Leben leichter erreichen.
Ich würde mich freuen über ein Altenheim, wo der Geschäftsführer einer gewählten Gruppe der Bewohner berichtet - und diese das letzte Wort haben.
Ciao
Wolfgang Horn