Danke für Ihre Anregung, Frau Dr. Dreusch,
Sie fragen nach einer Bewertung für die Dienstleistung "Beratung".
Haben Sie mit den Stichworten "Coaching" und "Zertifizierung" schon gegoogelt und mehr widersprüchliche Antworten bekommen, als Ihrem Arbeitgeber lieb sein kann?
Gerade in dieses Forum paßt die These: Die Qualität in Lehre und Beratung ist Voraussetzung für Qualität in den Produkten.
Ich unterteile das weite Feld "Beratung" in a) "Tagelöhner / verlängerte Werkbank / Mitarbeit auf Zeit" und b) "Rat geben" - und konzentriere mich auf Letzteres.
Abschreckendes Beispiel:
Ich kenne Berufsverbände, wo die Trainer die Qualitätskriterien für die Dienstleister definiert haben, die Prüfungsbedingungen - und eben nicht die Arbeitgeber definiert haben, die die Seminare bezahlen und bei denen die Absolventen Gewinne erwirtschaften sollen.
Folge: Die Ausbildung dieser Dienstleister ist überfrachtet mit Besserwisser-Material, unpraktisch, viel zu teuer für Arbeitgeber und selbst Ursache für Risiken, aber ein gutes Einkommen für Trainer.
Der bessere Weg:
Aus dem Toyota-Schock habe ich die Lehre gezogen: Ein Unternehmen, das im Wettbewerb bestehen will, muß im Wettrennen "um noch mehr Produktivität" mit der Spitzengruppe Schritt halten.
Es darf Management nicht anders verstehen als die Kunst
a) überdurchschnittliche Gewinne zu erwirtschaften unter der Voraussetzung
b) überdurchschnittliche Steigerung der Produktivität.
Beratung für solche Unternehmen muß im Sinne dieser Definition sein.
Ich arbeite an einem Katalog von daraus abgeleiteten Kriterien.
Die Hauptarbeit: Logische Begründungen. Denn wer in seiner Aufgabe als Qualitäter zu den Pädagogen der Personalentwicklung geht, der braucht zu seinen Forderungen schlagkräftige Begründungen, denen sein Geschäftsführer letztlich zustimmen würde.
Dasselbe gilt, wenn eine Beratungsfirma mit Empfehlung aus dem Golfclub und mit Hochglanzbroschüren antanzt und der Qualitäter ahnt, wenn er die Beratung überleben sollte, dann muß er den Schaden nachher wieder reparieren.
Zu diesen Kriterien gehört:
a) "Wer sich guten Rat selber geben kann, braucht keinen". Die Beratung im Sinne des Zukunfts-Managements muß dem Klienten die Prozesse vermitteln, damit dieser sich in ähnlichen Fällen zukünftig selbst beraten kann. Natürlich kann man jedem Buchhalter einen Mathematik-Coach zur Seite geben, der wöchentlich alle Multiplikationen im Auftrag rechnet und ein gutes Einkommen hat. Produktiver ist aber ein Trainer, der nur zweimal kommt und ab dann kann der Buchhalter selbständig multiplizieren.
b) Diese Prozesse müssen auch für einen Facharbeiter plausibel sein, wenn der sich hinein arbeitet. Wenn der Arbeiter schimpft, der Überstundenzuchlag sei falsch berechnet, dann soll sein Kollege diesen Vorwurf in Wohlgefallen auflösen können. Denn Geheimwissen mindert die Produktivität im Team wegen Mißtrauen und Mißbrauch.
c) Jeder Schritt im Prozeß muß nachvollziehbar sein, also keine Zaubertricks.
Erkennbar ist schon: Wenn wir diese Kriterien auf Beratungsprozesse anwenden, dann schrumpft die schillernde Menge der Prozesse zusammen wie eine Armee Schneemänner im Frühling - und es erhärtet sich der Verdacht: Auch hier gilt - Berater sind selbst eine maßgebliche Ursache der Übel, die sie zu bekämpfen vorgeben.
Mit diesem Kriterienkatalog aus dem Toyota-Schock trennen Sie Angebote in Scharlatane (ziehen ihren Klienten willentlich über den Tisch), Quacksalber (tun's auch, aber nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Naivität), und wirkliche Ratgeber.
Frau Dreusch:
1. Wann müssen Sie Ihre Vorlage abgeben? Wann kommt mein Entwurf noch rechtzeitig?
2. Wie schaut die typische kritische Beratungssituation aus, für die die Qualitätskriterien für Beratung optimiert sein müssen?
Ich wende mich direkt an Sie.
Ciao
Wolfgang Horn