Hallo SK,
die Statistik ist nicht aus dem Ruder gelaufen

An der statistischen Theorie ändert sich nämlich nix, egal was damit in der Praxis gemacht wird.
Ob "Extremwerte" bei der Berechnung der Grenzen berücksichtigt werden oder nicht, hängt davon ab, ob sie aus der normalen Variation des Prozesses entstanden sind oder ob sie wegen eines systematischen Fehlers entstanden sind.
Um zu unterscheiden, wie der Prozess "normalerweise" aussieht und welche Werte er produziert, muss er zuerst untersucht werden.
Dazu können entweder ausreichend viele vorhandene Messwerte aus dem normalen Prozess herangezogen werden oder es können spezielle Versuche zur Ermittlung des normalen Prozesses (Stichwort: Versuchsplanung) gefahren werden.
Das erste Verfahren hat den Vorteil, dass auf bereits vorliegende Daten zurück gegriffen wird. Aber es gibt keine wirkliche Unterscheidung dahingehend, ob eine systematische Störung vorliegt oder nicht. Das ist eine Entscheidung, die auf Erfahrungen basiert.
Wenn die Messwerte über Versuchspläne erhoben werden, wird untersucht, ob es systematische und noch nicht kontrollierte oder bekannte Einflüsse gibt und wie groß ihr Einfluss auf den Prozess ist. Das daraus resultierende Prozessmodell basiert auf tatsächlichen Messungen und nicht so sehr auf Expertenwissen. Zusätzlich ergibt sich durch das Modell eine Optimierungsmöglichkeit, weil die besten Bedingungen für die Produktion berechnet werden können.
Die Erfahrungswerte von Mitarbeitern, die den Prozess kennen, sind überaus wertvoll und hilfreich, allerdings ist nach einiger Zeit eine gewisse "Betriebsblindheit" da oder es werden Einflüsse als wichtig eingeschätzt, die es nicht sind und dafür andere übersehen. Insofern liefert eine systematische Analyse der möglichen Einflüsse (Regression, Anova, gruppierte Boxplots, etc.) zusätzliche hilfreiche Informationen.
Die Messwerte (entweder aus dem normalen Produktionsablauf ohne systematische Fehler oder aus den Ergebnissen der Versuchsplanung) sind die Basis für die Berechnung der Kontrollkarten-Grenzen. Je besser diese Basis ist, desto trennschärfer sind die Grenzen, desto eher kann unterschieden werden, ob ein systematischer Fehler vorliegt oder nicht.
Deshalb ist es auch sinnvoll, die Grenzen neu zu überdenken bzw. zu berechnen, wenn der Prozess oder die Messwerteerhebung (kleinere Stichprobengröße) geändert wurde. Ggf. sind andere Formeln besser geeignet, um zwischen normaler Variation und systematischen Fehlern zu unterscheiden.
Der Vorteil einer QRK, dass die Messwerte grafisch dargestellt werden, bleibt natürlich immer erhalten. Nur als Entscheidungsgrundlage, ob der Prozess unter Kontrolle ist oder ob es systematische Fehler gibt, taugen veraltete QRKs nicht oder nur bedingt und gerade darin liegt ihr Potential.
Viele Grüße
Barbara
bb-sbl.de